Schuhe aus aller Welt: Wenn Schuhe Schnabel haben

Schuhe als Statusobjekt

Beinahe mit Beginn ihrer Geschichte dienten Schuhe als gesellschaftlicher Indikator, denn oftmals genügte ein einziger Blick auf die Fußbekleidung, um den Träger einer bestimmten Bevölkerungsschicht zuzuordnen. So auch im frühen Mittelalter, als es unter den Franken allein den obersten Heerführern und Adligen zustand, Schuhe mit einer verlängerten Schuhspitze zu tragen.

Wenn die Schuhlänge über den Rang entscheidet

Jene Reglementierung war keinesfalls ein Novum, denn schon im alten Ägypten mussten Sklaven barfuß ihren Arbeiten nachkommen, damit sie leichter unter ihren Mitmenschen auszumachen waren. Die genähten Lederschuhe der fränkischen Blaublüter im 11. und 12. Jahrhundert zeichneten sich dagegen durch eine schmal zulaufende und zugleich hochgebogene Schuhspitze aus und gingen als Schnabelschuhe oder auch Poulaines in die Geschichte ein. Beinahe vier Jahrhunderte lang dominierte das kuriose Schuhwerk die europäische Schuhmode, dabei liegen seine Wurzeln nicht im Abendland.

Bevor die berühmtberüchtigten Schnabelschuhe ihren Siegeszug in England, Frankreich und später auch in Mitteleuropa antraten, waren sie bereits im Orient en vogue. Funde aus der Herrschaft Königs Sargon im Tal des Indus belegen nicht nur die Existenz einer indischen Hochkultur mit Verbindung zu den Sumerern, sondern auch das Brauchtum der hochgebogenen Schuhe und zwar zwei Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung. So berichtet bereits Valmiki, der Verfasser des berühmten Sanskrit-Epos’ Ramayana, von eben jenen hoch gebogenen Schuhen, den Pigaches. Diese im vorderen Schuhbereich spitz zulaufenden Schuhe gelten heute als Vorreiter unserer bekannten Schnabelschuhe.

Gebogene Schuhe sprechen Recht

Auch in Mesopotamien und frühen Indien waren die ungewöhnlichen Halbschuhe mit ihrer gekrümmten Spitze ausschließlich dem König vorbehalten. So soll beispielsweise König Rama – eine Inkarnation der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus – jene spitzen Schuhe aus echtem Gold getragen haben, bevor er in die Verbannung geschickt wurde. Denn kurze Zeit nach seiner Vermählung – so berichtet Valmiki – musste Rama ein Versprechen einlösen, das sein Vater einst seiner Ehefrau gegeben hatte, und für vierzehn Jahre als Asket im Wald leben. Während seiner Abwesenheit ließ sich Rama zwar durch seinen Bruder vertreten, doch behielten bei allen königlichen Entscheidungen seine goldenen Schuhe das letzte Wort.

Ramas Bruder pflegte jegliche Beschlüsse vor den Schuhen des Verbannten zu verkünden, um an dessen allgegenwärtige Präsenz zu erinnern. In einem überlieferten Märchen findet sich eine Interpretation für diesen ungewöhnlichen Brauch: Der Erzählung nach verharrten jene goldenen Schuhe bewegungslos, wenn der Bruder gerechte Beschlüsse verlas, wohingegen sie sich im Falle von gesetzeswidrigen Erlässen jäh aufrichteten. Nach Ramas Rückkehr fanden die hoch gebogenen Schuhspitzen allmählich auch Zugang in die Schuhmode der einfachen Bevölkerung und sind heute ein fester Bestandteil der indischen Fußbekleidung.

Im Allgemeinen eher für ihre Vorliebe zum Barfußlaufen bekannt, verwendeten die Inder für jene Lederpantoffeln mit den hochgebogenen Schuhspitzen je nach Region unterschiedliche Materialien für das Schuhwerk, oftmals blieb die Ferse offen: In Nordindien wurden allein die Stiefel der Könige und ruhmreichen Krieger – und im Übrigen auch der Reitknechte – aus Leder gefertigt. Korbflechter stellten ihre Schuhe dagegen aus Schilfrohr und Dattelpalmenblättern her. Das Leder stammte von Ochsen, Schafen oder Widdern, allein die Verwendung von Rinderhäuten verbot der hinduistische Glauben.

Selbstverständlich spiegelte sich die indische Vorliebe für reichhaltige Verzierung auch in der spitz zulaufenden Fußbekleidung wider, die häufig mit Skorpionschwänzen, Widderhörnern oder auch Pfauenfedern verziert wurden. Auch Lotusblüten waren auf dem indischen Schuhwerk keine Seltenheit. Mit den Kreuzfahrern fanden die Pigaches schließlich ihren Weg auf das europäische Festland.

Die verbotene Frucht: der Schnabelschuh

Namentlich soll es der Ritter Robert le Cornu gewesen sein, welcher das extravagante Schuhwerk auch in mitteleuropäischen Kreisen einführte. Kamen anfangs allein Mitglieder des Adels in den Genuss der Schnabelschuhe, zeigte sich der neue Schuhtrend auch bald an bürgerlichen Füßen. Um sich optisch von ihren Untertanen abzugrenzen, erließen die Regenten kurzerhand eine Kleiderordnung, in der auch die Länge der Schuhspitze festgelegt wurde. Hierbei galt der Grundsatz: Je länger die Schuhe, desto höher der gesellschaftliche Rang: So trugen Ritter 1,5 Fuß, Fürsten 2 Fuß und Prinzen sogar stattliche 2,5 Fuß Schnabellänge vor sich her. Das gemeine Volk musste sich dagegen mit einem halben Fuß zufrieden geben, während Bürgern zumindest ein 1 Fuß zustand. Die heute allseits bekannte Redensart,  er oder sie lebe auf großem Fuß, beruht übrigens auf eben jenen keilförmigen Halbschuhen. Den Höhepunkt erlebten die Schnabelschuhe im 14. und 15. Jahrhundert und wurden in der Regel mit Glöckchen oder anderem Zierrat geschmückt.

Von Königen verboten, mit Exkommunion angedroht, von Geistlichen verdammt, sorgten Schnabelschuhe im Verlauf ihrer wechselseitigen Geschichte für allerlei Aufregung. Das Ende der spitz zulaufenden Schuhe ist zugleich der Beginn einer neuen Schuhmode auf einer breiteren Leistenform. Jener Trend ist allerdings weniger ruhmreich als die orientalischen Pigaches. Quellen berichten, dass König Karl VII. angeblich einen Zeh zu viel an jedem Fuß hatte und sich von seinem Schuhmacher eine bequemere viereckige Schuhform anfertigen ließ und die spitz zulaufende Fußbekleidung ins Abseits drängte.

Im 18. Jahrhundert zeigt sich die europäische Vorliebe zum Exotischen ein weiteres Mal und die hochgebogenen Schuhe schaffen es für kurze Zeit erneut in die hochherrschaftlichen Kreise, bevor sie zugunsten einer einfachen, geradlinigen Schuhform endgültig aus der Schuhmode verschwanden. Für militärische Zwecke war das Schnabel-Schuhwerk von jeher eine Spur zu außergewöhnlich: Laut Überlieferung schnitten sich zwei Soldaten in der Schlacht von Sempach im Jahre 1386 sogar ihre langen Schuhspitzen ab, nachdem sie sich im Zweikampf wiederholt mit ihren Schuhen verfangen hatten.

Bild: Shutterstock // Ayaz Azam

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